Weshalb der Sturz Assads nicht zu sofortigen Abschiebungen führen kann
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Sarah Kumar2024-12-11T10:10:03+01:0011. Dezember, 2024|
Viele aus Syrien geflüchtete Menschen haben nun Sorge, wie ihre Asylverfahren weitergehen und ob alle syrischen Staatsangehörigen, auch jene, die bereits einen Schutzstatus haben, nun tatsächlich abgeschoben werden.
Zunächst ist festzuhalten (und hätten auch der Innenminister oder meinetwegen auch der Bundeskanzler, die hier trotz völliger Instabilität der Lage vorpreschen mussten, klarstellen können), dass 1. grundsätzlich niemand in einem anhängigen Asylverfahren und 2. niemand mit einem Schutzstatus einfach abgeschoben werden kann.
ad 1: Ein anhängiges Asylverfahren muss erst abweisend (d.h. negativ) und mit einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung entschieden werden.
ad 2: Ein bereits zuerkannter Status (als Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigte:r) muss in einem mehrinstanzlichen Verfahren erst aberkannt und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen werden; für die Aberkennung des Asylstatus muss die Verfolgungsgefahr weggefallen sein und für die Aberkennung des Status als subsidiär schutzberechtigte Person muss eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage eingetreten sein.
Wer daher ausschließlich Verfolgung durch das Regime von Assad zu befürchten hat(te), könnte, falls diese Verfolgung wegfällt, den Asylstatus verlieren oder erst gar nicht zuerkannt bekommen. Wer aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage subsidiären Schutz erhalten hat oder hätte, könnte diesen Status, sollte sich die Lage in Syrien wesentlich und nachhaltig verbessern, verlieren oder erst gar nicht zuerkannt bekommen. Zusätzlich muss eine Rückkehrentscheidung erlassen werden, vor welcher das Privat- und Familienleben in Österreich (bzw. die sog. Integration) zu prüfen sind, und eine Abschiebung für zulässig erklärt werden.
Aktuell ist die Lage in Syrien aber völlig unklar und sind die Entwicklungen in Syrien nicht vorhersehbar. Auf Basis völliger Unklarheit können keine Entscheidungen getroffen werden. Da die Behörde und das Gericht ihren Entscheidungen die aktuelle Situation im Herkunftsstaat zugrunde legen müssen, werden sie nun abwarten.
Diese Zeit des Abwartens und die lange Verfahrensdauer spielen aber eine oft unterschätzte Rolle:
Wer nämlich schon seit zumindest etwa fünf Jahren in Österreich lebt und sich ein schützenswertes Privat- und allenfalls auch Familienleben aufgebaut hat, hat die Möglichkeit, auch bei Nichtzuerkennung oder Aberkennung eines Status einen Aufenthaltstitel (ein sog. Bleiberecht) zu erhalten.
Wer schon seit fünf Jahren mit Status in Österreich lebt (wobei die Zeit des Asylverfahrens unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise angerechnet werden kann), kann bei Erfüllung insbesondere der Einkommens- und sprachlichen Voraussetzungen auf den Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EU umsteigen.
Wenn die Zuerkennung des Status als Asylberechtigte:r bereits schon vor (über) fünf Jahren erfolgt ist (und keine Straffälligkeit vorliegt), kann die Behörde den Asylstatus überhaupt nur dann aberkennen, nachdem die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Aufenthaltstitel (den Daueraufenthalt-EU) erteilt hat.
Wer schon seit sechs Jahren durchgängig und rechtmäßig in Österreich aufhältig ist und Deutsch auf Niveau B2 spricht, kann bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen die österreichische Staatsbürger:innenschaft erwerben.
Für weitere, insbesondere fallbezogene Fragen bzw. Beratung stehen ich und andere im Asyl-, Aufenthalts- und Staatsbürger:innenschaftsrecht spezialisierte Kolleg:innen und Rechtsberater:innen gerne zur Verfügung. Lassen Sie sich aber bitte ausschließlich von spezialisierten Personen beraten. Sie gehen auch nicht zur Zahnärztin, wenn Sie Probleme mit Ihren Nieren haben.